Epischer Ötztaler 2021

Der Ötztaler Radmarathon ist mit rund 230 Kilometern und 5.300 Höhenmetern einer der härtesten Radmarathons in Europa. Die Strecke führt auf dem kürzesten Weg von Sölden einmal um die Stubaier Alpen – abkürzen ist nicht möglich. Dabei geht es über den Kühtai-Sattel, den Brenner, den Jaufenpass und am Schluss über das Timmelsjoch. 4.000 Radsportler hatten einen Startplatz zugelost bekommen. Nachdem der Ötztaler im Vorjahr abgesagt worden war, freute ich mich in diesem Jahr ganz besonders auf meinen dritten Start beim „Ötzi“ nach 2014 und 2017.

Gemeinsam mit Carina, Kathi und Tobias reiste ich am Freitag nach Sölden an. Die Wettervorhersage für das Wochenende war schlecht: nasskalt und Schnee ab 2.300 Metern. Nach einer Trainingsfahrt am Freitag meisterten Carina und Kathi samstags das Timmelsjoch. Beim Fahrerbriefing hörte sich dann die Wetterprognose nicht mehr ganz so schlecht an, nur noch kalt und weniger nass. Allerdings gab es weitere Schwierigkeiten: durch einen Felssturz war die Straße zum Kühtai gesperrt und die Strecke wurde kurzfristig umgestellt: über den Haiminger Berg nach Ochsengarten und von dort aufs Kühtai. Das bedeutete rund 10 km und 250 Höhenmeter mehr.

So stand ich sonntags früh um 5:40 Uhr mitten im Starterfeld in Sölden – gemeinsam mit 2.600 Mitstreitern. 1.400 Teilnehmer starteten aufgrund der verschärften Strecke und der Wettervorhersage erst garnicht. Begleitet von Hubschraubern und vorbei an den Heißluftballons gings pünktlich um 6:30 los, zunächst rund 40 Kilometer leicht abwärts durch Ötz nach Haiming. Hier scharf rechts in den Haiminger Berg, und der hatte es in sich! 1.000 Höhenmeter auf weniger als 10 Kilometer bedeuteten 10,1% im Schnitt. Hier hatte ich Mühe, nicht zu überdrehen und im angepeilten Wattbereich zu bleiben. Aber um kurz nach neun hatte ich die erste Labe auf dem Kühtai erreicht. Es war weiter kalt, aber trocken und so stürzte ich mich zügig in die Abfahrt nach Innsbruck. Bis auf eine kleine Baustelle ist die Straße gut asphaltiert und mein Tacho zeigte maximal 100,1 km/h. In Innsbruck feuerten uns viele Zuschauer an. Es folgte der Brenner, wo ich in einer größeren Gruppe Windschatten suchen und Körner sparen wollte. Trotzdem war das Tempo wohl etwas zu hoch, wie ich später noch spüren sollte. Hinter dem Brennerpass in Italien besserte sich das Wetter weiter, die Sonne kam sogar raus. Jetzt kam der Jaufenpass: 1.130 Höhenmeter auf 15 Kilometer, dabei immer zwischen 7 und 8% und bis zuletzt fast nur durch Wald. Ein langweiliger Pass, der sich für mich jedesmal sehr lang anfühlte. Ich konnte meine angepeilten 230 Watt treten und oben angekommen war ich weiter gut in meiner geplanten Zeit. Nach einer schnellen und kurvigen Abfahrt in St. Leonhard angekommen hatte ich 190 km und 3.400 Höhenmeter geschafft, aber jetzt folgte ja noch das Timmelsjoch: 1.800 Höhenmeter auf 30 Kilometer. Bei 25 Grad und Sonne, aber mit Beinlingen und Windstopperunterhemd, war es ziemlich warum und anstrengend. Die Kraft war jetzt auch so ziemlich verbraucht und es hieß Kopf ausschalten und kämpfen. Die Auffahrt zum Timmelsjoch tat genauso weh wie bei meinen letzten beiden Starts beim Ötztaler. Nach fast drei Stunden Plackerei war endlich der Tunnel unterhalb der Passhöhe erreicht. Bis hierhin war es immer noch trocken, aber als ich aus dem Tunnel herauskam empfing mich starker Wind und Schneetreiben bei 2 Grad. Schnell die Regenjacke und Handschuhe angezogen, durch den großen Bogen auf der Passhöhe gerollt und rein in die Abfahrt nach Sölden. Der Gegenanstieg zur Mautstation forderte nochmal die letzten Körner und es regnete jetzt ganz ordentlich. Aber die letzten Kilometer ins Ziel fühlten sich einfach toll an!

Kurz vor dem Ziel noch schnell angehalten und fürs Zielfoto die Jacke ausgezogen – fuhr ich bei genau 11 Stunden über den Zielstrich, wo Tobias und die anderen schon warteten. Nach 242 km und 5.533 Höhenmetern war die Platzierung 958 zweitrangig, immerhin mussten rund 500 Starter aufgeben und kamen erst garnicht ins Ziel. Fast drei Stunden später, nach fast 14 Stunden, erreichte der letzte Finisher begleitet von den Schlussfahrzeugen mit Sirene und unter dem Jubel der Zuschauer das Ziel: beim Ötztaler werden die Letzten traditionell mehr gefeiert als die Sieger. Hoffentlich können wir in den nächsten Jahren mal mit einer größeren MANNschaft beim Ötztaler in Sölden starten!

Autor: Daniel Stefes